Sonntag, 13. Mai 2012

Raben Mythologie

Das Verhältnis des Menschen zum Raben war immer äußerst zwiespältig - und ist es bis heute. In vorchristlicher Zeit war ihr Image wesentlich besser. In der Antike wurden sie oft als göttliche Vögel verehrt und man sagte ihnen magische Kräfte nach. Während die Tiere in der indianischen Kultur Nordwest-Amerikas immer noch hoch angesehen sind, änderte sich das in den abendländischen Kulturen mit dem Aufkommen des Christentums drastisch. Aber auch im jüdischen Glauben galten Raben schon im Alten Testament als "unrein“. Zahlreiche Künstler, von Wilhelm Busch bis Alfred Hitchcock, haben sich vom geheimnisvollen Wesen der schwarzen Vögel inspirieren lassen. Letzterer hatte 1963 mit dem Film "Die Vögel" einen Riesenerfolg, setzte aber auch auf das miserable Ansehen der geächteten Flugkünstler, indem er sie Menschen angreifen ließ.

Der germanische Gott Odin (Wotan), Gott der Weisheit, der Magie und Heilzauber,  kann sich in einen Raben verwandeln. Außerdem führt er immer "Munin" und "Hugin" (Erinnerung und Gedanke) mit sich, zwei Raben, die er jeden Tag ausschickt um zu erfahren, was in der Welt Wichtiges geschieht. Odin war der höchste Gott der Germanen und deshalb waren ihnen die Raben heilig - sie verehrten sie als Göttervögel. Im Vorfeld einer Schlacht galten der Flug und das Verhalten der Tiere als Omen für den Ausgang der kriegerischen Auseinandersetzung. Ein Glaube, der auch schon bei den Babyloniern und im antiken Griechenland eine wichtige Rolle spielte.

Im alten Rom befragten die Auguren, ein sechzehnköpfiges Gremium römischer Beamter, das Vogelorakel, um zu erfahren, ob ein geplantes Handeln den Göttern genehm sei. Je nach dem, aus welcher Richtung ein Rabe einen von den Auguren abgegrenzten Bereich durchflog, bedeutete das Unheil oder Segen. Kam er von links, war es ein schlechtes Zeichen, von rechts bedeutete eine günstige Konstellation. Flog gar ein Paar in den "Augural-Bezirk", galt dies als besonders positiv. Herrscher und Heerführer ließen sich von Rabenvögeln weissagen, ob sie mit ihrem Handeln in die Katastrophe steuerten oder nicht. Auch aus asiatischen Kulturen sind Krähenorakel überliefert und schon Aristoteles vermutete, dass die Vögel nicht nur über Instinkt, sondern auch über eine feine Intelligenz verfügten und ihr Handeln danach ausrichteten.

Das schlechte Image von Rabenvögeln rührt vor allem von ihrer Neigung her, Aas zu fressen. Dabei unterscheiden sie naturgemäß nicht zwischen Mensch und Tier. Nach einer Schlacht mit vielen Toten war der Tisch natürlich reich gedeckt. Auch war es nicht weiter verwunderlich, dass sie sich am Fleisch gehängter Zeitgenossen gütlich taten, was ihnen das geflügelte Wort vom "Galgenvogel" eingetragen hat. Mit dem Aufkommen des Christentums und dem Rückgang der Naturreligionen veränderte sich das Ansehen der Vögel stark. Das Auftauchen großer Schwärme galt bald als Vorbote von Tod, Unheil und Pestilenz. Die Welt der Tiere wurde in zwei Gruppen eingeteilt: in dem Menschen nützliche Kreaturen und jene, die ihm schadeten. Schnell zählten Rabenvögel zu den Schädlingen. Im Mittelalter galten sie als Begleiter von Hexen. Der Aberglaube war so stark, dass ein Mensch schon als Hexe(r) verteufelt wurde, wenn ihm eine Krähe zu nahe gekommen war. Noch schlimmer traf es die Elster, die gar als verwandelte Hexe angesehen wurde. Zur Abwehr von Unheil wurde es Brauch, tote Elstern oder Krähen an die Haustür zu nageln.

Vieles, was den Rabenvögeln in unserer heutigen Kultur sprichwörtlich anhaftet, hält sich hartnäckig in der Volksmeinung - und das, obwohl die meisten Eigenschaften angedichtet sind und keinerlei biologische Grundlage oder Bedeutung besitzen. Der Begriff "Rabeneltern" zum Beispiel fußt auf einer Vorstellung aus dem Altertum, Raben würden ihre Jungen verhungern lassen und sie sogar aus dem Nest werfen. Das Gegenteil ist der Fall. Rabeneltern sind besonders fürsorglich, sie füttern ihren Nachwuchs auch noch, wenn dieser längst flügge geworden ist. Gerne sprechen wir von einem "rabenschwarzen Tag", wenn alles schiefgegangen ist, was nur schiefgehen konnte. Dieser Gedanke rührt wohl noch aus der biblischen Legende, Raben hätten nur deshalb keine Farben in ihrem Gefieder, weil ihnen ein sündhaftes Wesen eigen sei, sie extrem unzuverlässig und deshalb vom Archeerbauer Noah verflucht worden seien. Seither müssten sie zur Strafe Schwarz tragen. Die Palette der Negativbilder reicht vom Kinderlied "Hoppe Hoppe Reiter" ("...fällt er in den Graben, fressen ihn die Raben") bis zum "Unglücksraben". Ganz anders das Bild bei den nordwestamerikanischen Indianerstämmen. Dort genießen Raben bis heute hohes Ansehen und Prestige. Sie gelten als gottgleiche Gestalten, die den Lebensraum Erde für Mensch und Tier erschlossen hätten. Den übernatürlichen Kräften der Raben sei es zu verdanken, dass Berge, Flüsse und Seen ihren Platz gefunden hätten, und die Tiere sollen selbst Sonne, Mond und Sterne ans Firmament gehängt haben.

Text teilweise: www.planet-wissen.de

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