Mittwoch, 9. September 2009

Mittelalter - Karfunkel

Titel: Hermann der Cherusker
Datum: Mittwoch, 9. September 2009
Wiederholung: Dieses Ereignis wiederholt sich jedes Jahr.
Bemerkungen: Auch wenn die Story nicht richtig historisch ist, ein echter Asatru-Held ;-)

Das Mittelaltermärkte und das ganze drum herum momentan groß in Mode sind, haben die meisten wohl schon mitbekommen. Interessant daher, sich mal mit der Szene und der Entwiklung zu beschäftigen. Beim ef-magazin hat es dazu im Heft Nr. 26 (Juli 2002), ein Schwerpunktthema gegeben. Dazu gehörte auch ein Interwiew mit Michael. E. Wolf, zu diesem Zeitpunkt Herausgeber der Mittelalter-Zeitschrift Karfunkel.

ef: Herr Wolf, seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Mittelalter?

Wolf: Wann beschäftigt sich ein Mensch nicht mit dem Mittelalter?
In der Kindheit sind es die Märchen, die anscheinend alle in dieser Zeit
angesiedelt sind, in der Jugend die ersten Mythen und Literatur, dann kam das Studium der Mediävistik in Heidelberg und schließlich die Passion, die zum Beruf wurde.

ef: Und seit wann besteht Ihre Zeitschrift „Karfunkel“?

Wolf: Karfunkel entstand Anfang der 90er Jahre in meinem Kopf aus verschiedenen Einzelaspekten, so z.B. der Idee, eine eigene Zeitschrift machen zu wollen und unabhängig
zu sein, als Interessent von Veranstaltungen zum Thema von den damals
monopolistischen Anbietern der Mittelalterrezeption. Der Name kam dann von meiner Frau.
Die Einsicht, so ein Vorhaben nicht allein bewerkstelligen zu können und das endlose Davon-Erzählen ließ uns 1993 Wolfgang Kalthoff treffen, geschichtsbegeisterter Elektriker,
der nach dem Abi zunächst nichts mit den akademischen Wegen zu tun
haben wollte. Die Beschäftigung mit Geschichte und der Kontakt zu all
den Leuten, die glaubten, aufgrund ihrer Titel Allmacht und Allwissenheit gepachtet zu haben, ließ ihn dann weich werden und auch noch einmal die akademischen Weihen
suchen. Zum Glück wurden immer wieder neue Leute auf das Projekt
aufmerksam und in ständig wechselnden Koalitionen erscheinen wir nun im Juni bereits mit der 40. Ausgabe und im kommenden April dann seit 10 Jahren. Manch einer blieb
nur eine Ausgabe, andere waren 7 Jahre dabei. Die einzigen, die von Anfang an dabei waren, das sind Michael E. und Sabine Wolf und – wenn man so will – die Musen Ayla
und Lida, unsere Zwillinge, die genauso alt sind wie Karfunkel.

ef: Wie ist die Tendenz der heutigen Mittelalterszene, die sich um Ihre Zeitschrift gruppiert,
und in der Bücher und Musik sowie Waren, Kleidung und Veranstaltungen aller
Art rund um das Mittelalter gehandelt und produziert werden? Gibt es in den letzten Jahren wichtige Veränderungen?

Wolf: Politisch?

ef: Auch!

Wolf: Weit gefächert und breit gefächert. Über das Denken, Wollen und Werden anderer lasse Ich mich auch nicht mehr aus. Jeder Mensch hat seine Sehnsüchte, Triebe und
Vorstellungen über das Leben. Solcherlei Urteile behalte Ich inzwischen für mich.

ef: Und ökonomisch?

Wolf: Die Tendenz, damit Geld zu verdienen, nimmt sicher zu. So genannte Themen- und Erlebnisparks schießen in allen europäischen Ländern aus dem Boden. „Reich werden mit Mittelalter“ ist angesagt! Der Vorwurf, wir würden einen Boom ausnutzen und ausbeuten, wird gemacht. Dabei gibt es uns so lange schon, da haben die meisten der Vorwürfler das Wort „Mittelalter“ noch gar nicht schreiben können.
Sicher gibt es auch immer noch Leute, die es zum Spaß machen.
Aber nur Spaß, das kann der Deutsche nicht! Die Nur-zum-Spaß-Leute sind allzu häufig nicht mehr am Mittelalter interessiert, so scheint es, weil sie am liebsten so genannte
Authentizitäts-Diskurse, am liebsten im Internet, führen. Diejenigen, die ihr Geld mit Mittelalter verdienen, scheinen aber ein so großes Interesse am eigentlichen Mittelalter
auch nicht zu haben, sonst wären Darstellung, Produkte und Aussagen etwas gehaltvoller. Viele der so genannten Aktiven können weder eine zeitliche, räumliche oder gar kunstgeschichtliche Eingliederung des Mittelalters vornehmen. Auch nur einen Autoren der Zeit zu nennen,
überfordert viele. Andererseits sucht und findet jede Tendenz ihre Gegentendenz. Viele, ja Ich erlaube mir zu sagen, unsagbar viele Leute, die sich heute mit Geschichte beruflich auseinandersetzen, sind geprägt und überzeugt worden durch die neue Sehnsucht nach dem Mittelalter seit der Mitte der 1980er Jahre.
Archäologen und Journalisten, Geschichtslehrer und Kultur- Marketing-Leute bezeugen häufig,
durch die großen Ausstellungen, die großen Jubiläen und Feste, die scheinbar unwissenschaftlich geschriebenen Historien-Schinken, zu der Überzeugung gekommen zu
sein, diesen Beruf zu ergreifen.

ef: Wächst die Szene quantitativ?

Wolf: Die Szene wächst vor allem quantitativ. Aber wer gehört da noch zur Szene? Die relativ wohl betuchten Leute unserer Gesellschaft, Anwälte, Wissenschaftler, Ingenieure etc. haben oft eine dermaßen a-ausgestattete Truhe, dass sie über die so genannten Mittelalter-
Marktler nicht nur lachen, sondern schon fast weinen. Andererseits nehmen sie sich und ihre Qualität so wichtig, dass sie dem Anspruch, der Vermittlung geschichtlicher Kenntnisse, nicht nachkommen können oder wollen, weil sie sich für Museen zu teuer machen.
Die Folge ist, dass die meisten von diesen A-lern, also Authentiklern, dann doch wieder zu Besuch auf Mittelaltermärkten landen. Die Parks, die in ihren Gründungs-Phasen
überall in Europa verhaften, sind auch nur scheinbar besser. Qualitätvolle Konzepte hingegen kommen nicht zum Zuge.

ef: Gibt es andere wichtige Veränderungen
in den letzten Jahren?

Wolf: Sicher! Die Szene wird internationaler.
Offene Grenzen nach Osten sorgten für rapide fallende Preise einerseits; offene Grenzen
nach Westen werden jetzt erst so langsam entdeckt. Die wenigen, die länderübergreifend agieren, werden widersprechen, aber im Grunde genommen findet eine wirkliche
Europäisierung in Sachen Geschichte noch gar nicht statt. Die Ansichten sind zu verschieden, die Entfernungen ob des Gewichtes der Ausrüstung sind dann auch noch zu groß. Der Konkurrenzdruck ist noch relativ neu: Plötzlich streiten sich mehrere Verlage um die noch
immer recht kleine Szene. Einerseits positiv, andererseits ein ruinöser Wettbewerb – wenn man nicht aufpasst.
Das Mittelalter sieht sich neuen Chancen und Gefahren gegenüber, wie sich vor 30 Jahren das
Schaustellergewerbe langsam an die Parks gewöhnen musste.
Mit Klagen versuchten sich Schaustellerverbände für den Jahrmarkt und gegen neue Parks Recht zu verschaffen.
Im Bereich Histotainment läuft dies etwas anders: Viele glauben zu erkennen, dass die Chance
im Besitz einer Burg, eines Hofes oder einer Wiese liegt, wo man ganzjährig „Mittelalter machen“ kann.

ef: Haben Sie selbst so etwas wie
ein Vorbild aus dem Mittelalter?

Wolf: Mit den Vorbildern ist das so eine Sache. Welches Vorbildes Geschichte war denn immer so astrein,
dass man sich damit identifizieren möchte?
Wir sind alle nicht nur schwarz oder weiß. Und die Altvorderen waren es auch nicht.
Eroberungen mögen mutig gewesen sein, brachten aber auch Leid. Egal ob es territoriale oder freiheitliche, religiöse oder wirtschaftliche Eroberungen waren. Ehrlichkeit spielt also
eine wesentliche Rolle. So habe Ich nie behauptet, ein Handwerker zu sein, auch wenn Ich die Dinge selber produziert habe. Als erster Darsteller im Mittelalterbetrieb Ich zusammen
mit meiner Frau neben dem Scriptorium ein Handelskontor, während alle anderen sich als Ritter
fühlten und mit Schwert rumliefen, auch wenn sie nur Handwerker oder Reisige, Hintersassen oder Leibeigene darstellten. Keine geschichtliche Person, sondern die fiktive Idee eines Handlungs- vielleicht eines Hanse-Reisenden kommt mir nahe.
Am liebsten verschwinde Ich in in diesem Mittelalter in nicht spielbare Rollen wie dem eines Navigators und Seekaufmanns – natürlich nur in meinen Träumen, beim Lesen, beim Schreiben.

ef: Mir scheint, dass das Mittelalter sowohl stark von der christlichen Religion geprägt ist als auch von heidnischen Bräuchen. Sind Sie selber Christ?

Wolf: Mit dem Christsein ist das genauso eine Sache, wie mit dem Demokrat sein. Ich glaube, wir leiden heute alle daran zu wissen, dass Christ sein nicht unsere Herkunft ist, dass unsere Herkunft aber auch nicht mehr abzusehen ist.
Mich irritieren gewisse christliche Riten ebenso wie gewisse heidnische. Weder will Ich irgend
jemandes Blut vergießen, noch kann wirklich jemand für mich sterben. Eine
Bekannte von mir reitet seit ihrer frühen Kindheit und sagt: Niemals würde Ich behaupten, reiten zu können! Insofern bin Ich Christ und Demokrat und werde beides doch nie sein. Wer
keine Zweifel hat, ist mir verdächtig. Nur mit meiner Dankbarkeit weiß Ich dann allzu oft nicht wohin.

ef: An wen oder was denken Sie spontan bei unserem eigentümlich freien Themenschwerpunkt „Freiheit im Mittelalter“?

Wolf: Heute denke Ich an Joß Fritz und seine Bestrebungen zur Freiheit, gestern hätte Ich an Huizinga und seinen „Herbst des Mittelalters“ gedacht, und vorgestern war es die „Freiheit
eines Christenmenschen“ Luthers, als Ich im Abitur stand. Unsereinem fallen nicht so große Worte ein, wie all denen im Zitatenlexikon unter dem Lexem Freiheit.
Und im Laufe des Lebens ändern sich solche Wortbestimmungen, egal ob die für Liebe
oder für Freiheit. Undenkbar diese Begriffe, ohne romantische Verklärung, so sehr wir auch für ein berechtigtes Interesse kämpfen. So viel Aspekte beinhaltet das Wort und so
unglaubliche Emotionen, die damit verbunden sind: Lieder, Bücher, Filme, Sozialisation. Freiheit – das Wort lässt vermutlich niemanden wirklich sofort Freiheit denken, sondern immer
Kategorien der Unfreiheit. Für mich zum Beispiel untrennbar verbunden
mit meinem unbändigen Wunsch, endlich erwachsen zu sein und somit endlich frei. Im Großen und Ganzen genieße Ich die Freiheit, die Ich habe. Und manchmal habe Ich die Freiheit
zu glauben, Ich scheiterte an gewissen Stellen durch die Beschränkung, durch die Unfreiheit, die mir andere auferlegten. So ging Ich lange Zeit davon aus, dass Kohl und seine Politik
mir meine Laufbahn vermasselten, weil Ich immer arbeiten musste und kein ausreichendes BaföG bekam. Aus der Distanz traue Ich mich dann manchmal zu glauben, dass es nicht
die von Kohl mir vorenthaltene Freiheit war, sondern meine Unfreiheit, mehr aus mir und der Zeit herauszuholen.
Und wenn keiner zuhört, und wenn Ich mich nicht beweisen muss, dann traue Ich mich auch zu denken, dass Freiheit doch immer da ist. Wer hindert mich denn zu denken und zu tun, was Ich will? Doch immer wieder nur Ich! „Die Gedanken sind frei“, dieses Lied und zahlreiche ähnliche waren mir immer wichtige Begleiter. Und meine Kinder kannten und konnten sie
schon lange vor den üblichen Kinderliedern. Ich lehrte sie so die Respektlosigkeit vor ihrem Vater: Niemand hindert euch, zu denken was ihr wollt.
Aber bedenkt die Freiheit des anderen, Eure Gedanken nicht hören zu müssen, wenn sie ihn beleidigen oder ihm weh tun. Und so sehr andere anderes heute träumen: nie war Ich in
meiner Kindheit so frei, wie Ich es heute bin. Kindsein und Freiheit, das wäre noch was...

......

ef: Ich danke Ihnen sehr herzlich für dieses Gespräch!

1 Kommentar:

  1. Ich weiß, was bloggen ist, aber ganz ehrlich, keine Ahnung wer oder was asatru, asatrue oder ein asatru-held ist. Ich habe keine Ahnung, warum dieses Interview hier wiederholt wird, und, das ist das tolle am Netz, nicht einfach verlinkt wird. Und was genau im Zusammenhang mit diesen offnen Worten ist so lächerlich, dass man es mit diesen Zeichen deutscher Grammatik versehen muss, die wohl Grinsen oder Lachen symbolisieren sollen?

    Ich halte Bloggen für eine gute wichtige und demokratische Form von Journalismus in res publica, gerade im Zusammenhang mit Freiheit. Aber der "damalige Herausgeber" ist genauso falsch, wie "ehemalige" oder "damalige" "DDR", wenn auch in einem anderen Sinne. Den damaligen Herausgeber reicht es mit Herausgeber zu kennzeichnen, denn das war er zum Zeitpunkt des Interviews ja und er wurde ja auch nur in dieser konkreten Rolle und Funktion befragt. Die "Ehemalige DDR" ist ein weißer Schimmel. Da es keine DDR mehr gibt, ist sie immer ehemalig, außer man will implizieren es gebe noch eine in der Westentasche und es könnte Futur I) noch eine im Anorak und (Futur II) irgend wann noch eine DDR im Hosensack gegeben haben. Niemand redet vom ehemaligen dritten Reich oder der ehemaligen Weimarer Republik oder dem ehemaligen ancien regime. Der Herausgeber der ZEIT war zu Lebzeiten Gerd Bucerius und - was jede Woche wieder auf der ZEIT steht - er ist es immer noch. Der kleine michael e. wolf will sich sicher nicht mit dem großen GERD BUCERIUS vergleichen, aber mit der Sache, vor allem mit der Tatsache: Ich bin Gründungsherausgeber und ohne Unterbrechung noch immer der Herausgeber dieses kleinen, bescheidenen Blatts für erlebbare Geschichte. Das Zitatrecht wird deutlich strapaziert und auch wenn es kleinlich wirkt - das ich noch lebe, hätte man recherchieren können.

    Nixfaungut.
    Weitermachen.

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